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Begegnungen im Regenwald
von Michael Jurahn
Eine üppige Pflanzenvielfalt, eines der größten Höhlensysteme der Welt und die letzten großen Menschenaffen Asiens machen Borneo für Naturliebhaber zu einem ganz besonderen Urlaubsziel. Vom Strandurlaub über Kulinarik-Reisen bis hin zum Aktivurlaub ist auf der Insel im Malaiischen Archipel beinahe alles möglich. Erfahren Sie außerdem in unserem Borneo Erfahrungsbericht, wie der Ökotourismus gefährdete Tier- und Pflanzenwelten retten soll.
Laut wie Johnny Weissmüller im Tarzan-Film ruft Ranger Murtadza allmorgentlich seine Freunde im Regenwald des Semenggoh Wildlife Centre nahe Kuching im malaysischen Sarawak zum Frühstück. Bereits nach wenigen Minuten hangelt sich Orang-Utan-Mutter Saddamiah mit ihrem neugeborenen Nachwuchs an Lianen und gespannten Seilen von einem der bis zu 40 Meter hohen Urwaldriesen herab. Kurz hinter ihr taucht auch Tochter Ruby auf. Genüsslich lassen sie sich die auf einer Holzplattform ausgebreiteten Bananen, Papaya und Süßkartoffeln schmecken.
Gerade in dem Moment, als Murtadza auch die hartgekochten Hühnereier hervorholt, schrecken die Damen jedoch auf. Hoch oben im Blätterwald rauscht es, Baumkronen neigen sich und plötzlich gleitet Ritchie aus dem grünen Dickicht heraus. Nahezu 100 Kilogramm Lebendgewicht schweben an langen Armen mit über zwei Metern Spannbreite auf den Futterplatz zu. Ritchie ist der unangefochtene Chef der 30 Orang-Utans, die in dem 653 Hektar großen Naturreservat rund um das Wildlife Centre eine Heimat gefunden haben.
Nachdem Ritchie die Futterbühne betreten hat, räumen alle anderen respektvoll das Feld. Wählerisch probiert er die Bananen, greift sich ein Ei und stopft Kokosnussfleisch in den von großen Wangenwülsten umgebenen Mund. Schließlich spült er alles mit kräftigen Schlucken aus einer angebotenen Milchflasche herunter und lässt sich dabei auch nicht vom Kameraklicken der Besucher des Zentrums stören.
Nur wenige Kilometer südlich von Kuching befindet sich das Semenggoh Nature Reserve. In dem Wildlife Centre des Naturschutzgebiets wurden im Laufe von über 20 Jahren zahlreiche Orang-Utans rehabilitiert. Viele der Tiere wurden aus Gefangenschaft befreit. Aber auch verwaiste Jungtiere oder verletzte Menschenaffen wurden dort auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet.
Doch der Regenwald auf Borneo, wie auch auf der benachbarten Insel Sumatra, wird immer kleiner. Die letzten Rückzugsgebiete der einst weit verbreiteten Menschenaffen sind in dramatischer Weise bedroht. Der WWF geht davon aus, dass die Orang-Utans „zwischen 1973 und 2005 die Hälfte ihres Lebensraumes durch großflächige Waldumwandlung und Brandrodung verloren.“
Einer kürzlich veröffentlichten Langzeitstudie von 38 internationalen Wissenschaftsinstitutionen zufolge verringerte sich der Bestand an Orang-Utans allein auf Borneo zwischen 1999 und 2015 um 148 Tausend Tiere, übrig geblieben sind geschätzt 70 bis 100 Tausend. Damit gehören sie zu den am meisten gefährdeten Arten weltweit.
Anderthalb Flugstunden entfernt, scheint der Regenwald rund um Mulu noch intakt zu sein. Touristen aus aller Welt zieht es in den Gunung-Mulu-Nationalpark, der neben seiner enormen Pflanzenvielfalt mit einem besonderen Phänomen aufwartet.
Inmitten des Nationalparks starrt eine kleine Touristenschar an der „Deer Cave“ auf den riesigen Eingang der Höhle. Kurz nach 17 Uhr schwirren Tausende von Fledermäusen in langgezogenen Formationen aus deren Inneren in den Abendhimmel. Die Höhle, die sie sich als Heimat auserkoren haben, gehört mit ihrem 415 Meter breiten und 100 Meter hohen Eingang zu den größten der Welt. Rund drei Millionen Fledermäuse hängen tagsüber weit oben an den Höhlendecken.
Vor einigen Jahren wurde dieses riesige dunkle Reich aufwändig mit Holzstegen und Leuchten für Touristen ausgebaut. Es zählt heute zu den Highlights auf Borneo. Das bringt Geld in die entlegene Region.
Die Entwicklung des Ökotourismus könnte die weitere Abholzung des Regenwaldes auf der drittgrößten Insel unseres Planeten eindämmen. Ein bereits etabliertes länderübergreifendes Nationalparkgebiet im Hochland von Borneo sowie das vom WWF initiierte, 220 Tausend Quadratkilometer große Schutzprojekt „Heart of Borneo“ geben Grund zur Hoffnung, dass auch die Waldmenschen überleben.
Ökotourismus ist eine umweltfreundliche Form des Reisens, bei der besonderen Wert auf die Belange der Natur und der Bevölkerung vor Ort gelegt wird. Reiseziele sind dabei ökologisch wichtige und schützenswerte Gebiete wie Nationalparks.